Löbau, Viaduktweg (früher Mühlweg) -
Der Eisenbahnviadukt überspannt das Löbauer Wasser - 9- Bogen-Brücke, Länge 182 m, Höhe 25 m, erbaut 1845 - Standort der Wetzschkemühle |
Die Wetzschkemühle am Löbauer Viadukt Quelle: Wikipedia, Foto: Günter Rapp, 19.06.1989 |
Löbau i.Sa., Eisenbahn-Viadukt - Ansichtskarte, 1915 |
Löbau - Vadukt - Ansichtskarte, 1911 |
Einsturz der Brücke der Sächs. Schles.
Eisenbahn, 1855 Druck und Verlag von Adolf Göhde, Löbau - Sammlung J. Mägel |
Der Einsturz der großen Eisenbahnbrücke in Löbau am 1. Januar 1855 R. Plesky nach dem Berichte eines Augenzeugen Die Eisenbahner, die den Dienst auf der Dresden-Görlitzer Strecke versehen, sind schon zu unzähligen Malen über das mächtige Brückenbauwerk gefahren, das gleich nach dem Bahnhof Löbau den Taleinschnitt des Löbauer Wassers überspannt. Die Bogen werden von acht starken Pfeilern getragen. Schon seit 87 Jahren läuft über diese Brücke der Personen- und Güterverkehr zwischen Schlesien und den sächsischen Landen. Sorglos und sicher fährt heute der Reisende über die Brücke, und an 130 Züge rollen täglich über sie hin. Selbst der Rangierdienst des Güterbahnhofs erstreckt sich in ihren Bereich. Kaum ein Eisenbahner oder ein Fahrgast der Dresden-Görlitzer Linie denken jemals daran, daß diese Brücke auch einmal ihren "schwarzen Tag" erlebt hat. Und dieser Tag war der 1. Januar 1855. Es gibt nur noch wenige Bewohner Löbaus, die jene Brückenkatastrophe mit angesehen haben. Einer der Augenzeugen ist der nun 87jährige Privatus Hermann Heinrich. Er stammt aus einer Familie, die 1779 die sogenannte "Wetzschkemühle" erworben hat. Grundstück und Gebäude sind heute im Besitze der Zuckerfabrik und liegen zu Füßen der Eisenbahnbrücke der Dresden-Görlitzer Linie. Als zehnjähriger Knabe war H. Heinrich Augenzeuge des vor 78 Jahren erfolgten Brückeneinsturzes, der die "Wetzschkemühle" aus allernächster Nähe bedrohte. Er erzählte mir aus seiner lebhaften Erinnerung heraus nun folgendes über das Unglück: "Schon seit zehn Jahren etwa fuhren die Züge der Dresden-Görlitzer Strecke über die Brücke. Es war nun kurz vor Weihnachten 1854, als ein Arbeiter meines Vaters am zweiten Pfeiler vom Bahnhofe aus einen Riß bemerkte. Am 3. Feiertage kam August Semig, so hieß der Arbeiter, wieder zu uns dreschen. Vor der Arbeit rief er meinen Vater, Karl Gotthelf Heinrich, heraus und sagte: "Meester Heinrich, komm´n Se ack amol mit raus und sahn Se sich ack den Riß an Bröckenpfeiler oa!" Mein Vater ging mit. Es war so, Semig hatte recht. Der Riß hatte sich merklich vergrößert. Darum meinte mein Vater: "Das können wir nicht so hingehen lassen. Da müssen wir Anzeige machen!" Er begab sich also nach dem Bahnhofe zum Betriebsingenieur Bahr und teilte ihm mit: "Die Brücke hat einen Riß." Der Beamte ging mit und besah den Schaden am Pfeiler. Er ließ über den Riß einen großen Bogen Papier kleben, der sehr bald platzte. Ein Keilchen, das man in den Riß steckte, fiel in kurzer Zeit wieder heraus. Der Ingenieur ersah daraus, daß hier Gefahr im Verzuge war und sofort etwas geschehen müßte. Es wurde Holz angefahren, um den Pfeiler zu stützen. Die Arbeiten gestalteten sich schwierig, vor allem auch deshalb, weil in diesen Tagen übles Regenwetter herrschte und die Löbau Hochwasser führte. Am Pfeiler ward eine ständige Wache eingerichtet, nachts bei Fackelbeleuchtung. Der 31. Dezember kam heran. Wir waren nach unserer Silvesterfeier zur Ruhe gegangen. Da pochte es plötzlich an unsere Fenster. Eine laute Stimme weckte den Vater und rief: "Meister Heinrich, stehen Sie auf! Retten Sie, was Sie retten können! Die Brücke fällt gleich ein!" Es war Ingenieur Bahr, der uns so nach 4 Uhr vor der drohenden Gefahr warnte. Wir waren alle sofort aus den Betten, und nun begann das Räumen. Die Pferde und Kühe wurden nach "Stadt Breslau", dem heutigen "Wettiner Hof", gebracht. Die Schweine trieben wir in die Scheune. Dabei verunglückte ein Schwein. Es mußte geschlachtet werden, weil es ein Bein gebrochen hatte. Es gab also noch am Unglückstage ein Schlachtfest. In die Scheune wurde auch aller Hausrat, den man in der Eile retten konnte, geschaftt. Als zehnjähriger Junge stand ich Wache bei der Scheune. Der Morgen dämmerte herauf. In der Stadt war mittlerweile die Gefahr bekanntgeworden. Trotz des strömenden Regens stand alles bald voller Menschen. Es dauerte auch nicht mehr lange, so trat das Unglück ein. Keine Stütz- und Sicherungsmaßnahmen hatten mehr helfen können. Früh ½ 10 Uhr, während der Kirche, stürzte der Pfeiler in sich zusammen. Da die Spannung nachließ, fiel auch bald der dritte Pfeiler (vom Bahnhofe aus gerechnet) ein. Der nächste Pfeiler wurde gesprengt, der folgende brach allein zusammen, der sechste ward wieder gesprengt und riß seinen östlichen Nachbarn mit ins Verderben, so daß sechs Brückenpfeiler mit ihren Bögen in Trümmern lagen. Es war ein Glück, daß von uns Bewohnern der "Wetzschkemühle", Vater, Mutter, sechs Kinder, zwei Knechte, ein Müller und ein paar Mädel, keines zu Schaden kam. Auch andere Leute sind bei dem Einsturz nicht verunglückt. Da der Pfeiler in sich zusammenstürzte und sich nicht nach unserer Seite neigte, wurde an unserem Wohnhause nur geringfügiger Schaden angerichtet. Der letzte Zug, der über die Brücke fuhr, war der Schnellzug von Görlitz nach Dresden gegen ¼ 4 Uhr morgens. Er ist mit den ahnungslosen Menschen, die in ihm saßen, noch unversehrt über die stark gefährdete Brücke gekommen. Die Brücke hatte zehn Jahre gestanden. Mit dem 31. Dezember 1854 war gerade die Garantiezeit des Baumeisters für das Brückenbauwerk abgelaufen. Reichlich neun Stunden später war es ein Trümmerhaufen. Damit war der Personen- und Güterverkehr Dresden-Görlitz unterbrochen. Die Eisenbahnverwaltung richtete nun in Wendisch-Cunnersdorf einen Notbahnhof ein. Hier stiegen die von Schlesien her kommenden Reisenden aus und wurden in Omnibussen nach dem Löbauer Bahnhof befördert. Ebenso wurden die Frachtgüter auf Geschirren auf der Görlitzer Landstraße nach Löbau oder von da nach Wendisch-Cunnersdorf gebracht. So entwickelte sich ein lebhafter Umsteige- und Umladeverkehr. Um ihn zu bewältigen, waren kaum genug Geschirre aufzutreiben. Der Neubau der Brücke wurde unter der Leitung des Regierungsingenieurs Hötasch sofort in Angriff genommen. Die Bauzeit betrug etwa 1½ Jahr. Die Weihe des neuen Bauwerkes, das nun mehr als 76 Jahre dem Verkehr dient, fand am 28. August 1856 statt." Quelle: RBD Dresden: "Das Flügelrad in Sachsen", Dresden 1942 Bericht entnommen aus: http://www.sachsenschiene.net/bahn_alt/index.htm |
Autor: Richard Plesky, Löbau, Weißenberger Straße 6, Oberlehrer in der 2. Bürgerschule, später Pestalozzischule |
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