Sage von der Gründung Löbaus
Zwischen Löbau und Großschweidnitz befindet sich ein Quell,
der mit der Entstehung Löbaus zusammenhängt. Vor mehr als
tausend Jahren lebte ein tapferer Slavenjüngling, Namens M l i
n k oder M o n k. Der war zum Sterben verliebt in M
a r j a, die Tochter eines Slavenhäuptlings. Aber er konnte nur
heimlich mit ihr zusammenkommen, da der Vater der Geliebten dem
Bunde grollte. Einst wandelte er in stiller Mitternacht mit
Marja am Ufer eines Stroms. Da erschien den Geliebten plötzlich
die Fee Pschipownicza und verkündete Mlink, daß er nur immer
gegen Sonnenaufgang ziehen sollte. Dort würde er ein schönes
Land finden, das solle er sich erkämpfen. Dann würde Marja
sein werden. Da trennten sich die Liebenden. Der tapfere
Jüngling bestieg sein Roß und ritt immer gen Sonnenaufgang.
Durch Wälder und Sümpfe, Einöden und Schluchten brach er sich
Bahn. Mit Riesen und Zwergen, Drachen und bösen Geistern
kämpfte er und überwand sie alle.Da kam er in ein reizendes
Tal, wo ein herrlicher Bergstrom dahinrauschte. Da rief der
Jüngling aus: Jow sso mi lubi, hier gefällt es mir! und er
durchstreifte den Wald und kam an einen herrlichen Quell. Da
erschien ihm wieder die Fee und befahl ihm, hier eine Stadt zu
gründen. Darauf kehrte er zurück an den Hof seines Fürsten
und verkündete ihm, welch schönes Land er gefunden. Da machte
sich der alte Häuptling auf und der ganze Stamm scharte sich um
ihn und sie zogen gen Sonnenaufgang, bis sie in das Tal
gelangten, und wo der köstliche Quell entspringt, gründeten
sie eine Stadt und verehrten die gütige Fee Pschipownicza.
Mlink und Marja aber wurden ein glückliches Paar.
Anm.: Am Rande des
fruchtbaren Oberlausitzer Gefildes entstand an der Straße von
Bautzen nach Böhmen um 1200 und 1221 erstmals die als
"oppidum" angelegte Stadt unter böhmischer
Herrschaft. Als Sitz des Convents des Oberlausitzer
Sechsstädtebundes (1346-1815) erlangte Löbau überregionale
Bedeutung. Nach einem verheerenden Stadtbrand wurde Löbau nach
1710 barock neu errichtet.
Die vorliegende Gründungssage bezieht sich auf das sorbische
Dorf "Altlöbau", das bereits 1306 in der Liste
vereinnahmter Weichbilddörfer als "Antiqua Lobavia"
aufgeführt wurde.
Auf dem Schafberg-Gipfel des Löbauer Stadtberges befand sich
bereits vor mehr als 3000 Jahren eine Höhenburg Lausitzer
Kultur.
Quelle: Pönicke, Album der
Schlösser und Rittergüter in Sachsen. H. XXII. S. 35
Oberlausitzer Kirchengallerie S. 138 fg. Haupt Bd. II. S. 120
fgg.
Der Geldkeller auf dem Löbauer Berge
1. Auf dem
Löbauer Berge, und zwar in der Gegend des sogenannten
Geldkellers, einem Felsen am Prinzensteige, spielten einst zwei
Knaben. Dem einen von ihnen entnahm der Wind sein leichtes
Strohhütchen und führte es in die Tiefe einer Felsenkluft. Der
Knabe weinte und schrie, doch dadurch gelangte er immer noch
nicht wieder zu seinem Eigentum.Aus Furcht vor Strafe, die er
mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten hatte, wenn er ohne
sein Hütchen nach Hause kehren wollte, gab er sich nun alle
mögliche Mühe, es wieder aufzufinden, kletterte und kroch von
einem Steine auf den andern und gelangte endlich in die Tiefe
der Kluft, ohne aber sein liebes Hütchen ausfindig zu machen.
Jetzt entdeckte er eine in den Felsen hineingehende Höhle. Da
glaubte er das Gesuchte finden zu müssen und geriet so, ohne
daß er es dachte, von Tiefe zu Tiefe, bis sich endlich ein
ungeheurer und weiter Felsenkeller seinen staunenden Blicken
eröffnete. Hier sah er zwar immer wieder noch nichts von seinem
Hütchen, wohl aber erblickte er eine ganze Gesellschaft Herren,
die um einen großen Tisch herumsaßen und zu spielen schienen,
jedoch kein lautes Wort von sich hören ließen. Im Hintergrunde
des Kellers aber standen ganz unermeßliche Braupfannen voll von
blanken Talern und Goldstücken. Die stummen Herren winkten dem
Knaben freundlich, sich von den angehäuften Schätzen zu nehmen
und einzustecken; doch ein gräßlich feuerschnaubender Hund
vertrat ihm furchtbar den Weg, daß er fast allen Mut verlor;
von neuem aber winkten die Herren, und der furchtbare Hund zog
sich etwas zurück. Auf dringendes und wiederholtes freundliches
Zureden wagte es endlich der Knabe, sich heranzuschleichen, ging
dann hart bei dem Hunde vorbei, so daß er fast über ihn
hinwegsteigen mußte und steckte sich von den blanken Talern und
Goldstücken so viel ein, als nur in seinen kleinen Taschen
Platz hatte. Nun schon dreister gemacht, da alles ohne Gefahr
für ihn abgelaufen war, machte er sich auf den Rückweg, der
ihm auch weder von dem feuerschnaubenden Hunde noch von den
stummen Herren an dem großen runden Tisch streitig gemacht
wurde. Froh über sein unerhofftes Glück, das ihn statt seines
strohernen Hütchens einen so großen Schatz finden ließ stieg
er nun wieder in der Felsenkluft empor, war ohne viele Mühe und
ehe er es dachte, wieder oben auf dem Berge und eilte darauf mit
seiner Barschaft vergnügt nach Hause. Der andere Knabe, der mit
diesem auf dem Berge war, hatte mit Ungeduld auf die Rückkunft
seines Gesellen aus der Felsenkluft geharrt und beinahe schon
gefürchtet, daß er wohl unglücklich gewesen sein könne. Doch
als er ihn, nicht nur gesund und wohlbehalten, sondern sogar mit
reichen Schätzen beladen wiederkehren sah, und es obendrein
diesen erzählten hörte, wie leicht und ohne Gefahr er dazu
gelangt sei, so stieg auch in ihm der Gedanke auf, sein Glück
bei jenen unterirdischen Schatzmeistern zu versuchen. Um auf
ähnliche Art sich einen Weg dahin zu bahnen oder wohl gar seine
Ankunft in jenem Unterreiche zu verkünden, warf er absichtlich
sein Hütchen in die Felsenkluft hinab. Endlich nach langem
beschwerlichen und gefährlichen Klettern gelang es auch ihm,
den Eingang in den beschriebenen unterirdischen Felsenkeller
wirklich zu entdecken.Doch nicht so günstig war sein Empfang,
wie er nur kurz zuvor seinem Genossen zuteil geworden war. Denn
mit bösen und zürnenden Mienen sahen ihn die stummen Herren an
dem großen runden Tische an und bedrohten ihn aufs strengste,
wenn er es wagen wollte hineinzukommen; auch der
feuerschnaubende Hund bewies ihm schon von weitem seinen ganzen
Grimm. Eiligst und so geschwind als er nur konnte, machte der
Knabe daher sich wieder auf die Beine und war nur froh, mit
heiler Haut und lebendig davongekommen zu sein. Nur mit Mühe
konnte er aber den Weg rückwärts finden und die steile Höhe
wieder erklimmen, von wo er nun noch obendrein ohne Hut nach
Hause kehren mußte.Überhaupt hat die Erfahrung gelehrt, daß
diejenigen, die diesen Berg mit Willen aufsuchten und ihre
Habsucht mit den ,darinnen befindlichen Schätzen recht
geflissentlich zu befriedigen hofften, nie so glücklich waren,
die sich angeeigneten Schätze mit sich nach Hause zu nehmen.
Ja, ein Löbauer Bürger mußte sogar einst sieben Jahre lang in
dem Berge bleiben und in Geduld harren, bis sich ihm der Berg
von selbst auftat, denn aus übergroßer Begierde, sich von den
erblickten Schätzen so viel als nur möglich zu eigen zu
machen, hatte er ganz vergessen, daß der Berg nur eine Stunde
lang offen sei und dann Jahre lang sich ihm zuschließen würde.
Gern ließ er dann alle und auch die sich schon zugeeigneten
Schätze im Stich und war zufrieden, nur seine Freiheit
wiedererlangt zu haben.
2. Es begab sich
einst, daß eine arme Frau auf dem Löbauer Berge die Türe des
Goldkellers gewahrte, wie sie offen stand. Die Zeit aber, wo
solches geschah, war an einem Karfreitag morgens früh, als man
eben vom Chore die Passion absang. Neugierig und hoffend, einen
Schatz und somit ihr Glück darin zu finden, so wie schon
mancher anderer vor ihr, ging sie hinein, obschon sie einen
größern Schatz, nämlich ihr einziges Kind, auf den Armen
trug. Überall glänzten ihr, gleich hellen Karfunkeln, die
Gold-, Silber- und Schaustücke entgegen, ,die in großen,
mächtigen Braupfannen links und rechts angehäuft dastanden.
Niemand aber und nirgendwo ein Wächter dieser Schätze war zu
sehen, ein runder Tisch nur stand unfern vom Eingange, und
einige Äpfel, so frisch, wie sie nur zur Herbstzeit auf den
fruchttragenden Bäumen prangen mögen, lagen darauf. Auf diesen
Tisch nun setzte sie das Kindlein nieder, damit es spielen möge
mit den herrlichen Früchten, sie aber scharrte und sammelte so
viel des blanken Geldes und Goldes in ihre Schürze, als sie nur
tragen konnte, und trug es fürbaß aus dem Keller hinaus.
Alsbald nun kehrte sie wieder um, daß sie auch ihr Kindlein
sich nachholen möge, was sie versäumt hatte über dem
unterirdischen Mammon. Aber
so Jammer! nimmer und nirgends konnte sie jetzt die Türe des
Kellers wieder gewahren, zu der sie doch nur eben hinausgetreten
war, und weder Weinen noch Greinen, noch Klagen und Zagen
mochten ihr helfen, denn schier nicht eine einzige Spur konnte
sie noch wahrnehmen. Gar gern hätte sie nun all ihre blanken
Schätze, die sie gewonnen, dahingegeben für den einzigen
Schatz, den sie verloren. Und ob sie auch ihr gehabtes Unglück
denen anzeigte, die zu Rate sitzen, so konnten sie ihr doch
nicht raten und helfen, ja alles Nachforschen und Suchen und
Graben war sonder Nutzen, soviel dessen auch auf gemeiner Stadt
kosten veranstaltet und vorgenommen werden mochte. Was aber jene
schmerzlich betrübte Mutter durch all ihre Sorgfalt und Mühe
nicht zu erlangen vermochte, das konnte Geduld und Zeit ihr
gewähren, denn als nun endlich wieder die Zeit der Ostern
herbeigekommen war und die Stunde, wo man vom Chore herab die
Passion absang, ging das Weib abermals hinaus, die Stelle zu
suchen, wo sie vorm Jahr so glücklich und doch so unglücklich
gewesen, und siehe, da öffnete sich mit einem Male wieder jene
unterirdische Pforte mit ihren Karfunkeln gleich blitzenden
Schätzen. Sie aber, tränend und fehnend, sieht nichts denn ihr
Kindlein, das immer noch auf jenem runden Tische sitzend, wohin
sie es einst gesetzt, munter spielte mit den frischen Äpfeln
und freundlich die Arme ihr entgegenstreckte. Gar gern wählte
sie diesmal für all die toten Schätze den lebenden, doch
als sie mit ihm das
Sonnenlicht erblickte, erblich das Kind ihr in den Armen.
Nach einem anderen Berichte hätte jedoch das Kind nur eine
dreitägige Ohnmacht befallen, und da ein jeder an dem
Schicksale der unglücklichen Mutter teilnahm, so habe auch ein
wundertätiger Mann ,der Gegend davon gehört. Es sei ihm
gelungen, dem Kinde wiederum Leben und Gesundheit zu schenken
und zwar mittels heilsamer Kräuter, die nicht weit von jenem
Goldkeller wuchsen, weshalb auch ein dasiger Ort bekanntlich der
Kräutergarten heißt. Der darauf munter gewordene Knabe war nie
mehr auf den Berg zu bringen, mochten seine Gespielen auch noch
so fröhlich dahin eilen, und als er zum Jüngling
herangewachsen und seine Mutter verstorben war, ging er in die
weite Welt und hat da durch Fleiß und Rechtschaffenheit sein
Glück gemacht, mochte aber nie von dem Glück etwas wissen,
welches nur durch Schätze in Geisterbergen und auf ähnliche
Art leicht zu erwerben sei.
3. Nach einer
anderen Volkssage soll sich der Geldkeller allemal am
Johannistage mittags um 12 Uhr öffnen und sich des Nachts
wiederum um die selbe Stunde schließen. Wer nun zur
angeführten Zeit in selbigen eintritt und desselben
labyrinthische Gänge durchwandelt, wird an deren Ende Haufen
von Go1d- und Silbermünzen finden, von denen er sich nach
Belieben, soviel er davon will, einstecken kann. Am Johannistage
1516 hatte ein Bauer das Glück, den Eingang geöffnet zu
finden; er ging hinein und erblickte mit offenen nüchternen
Augen den unermeßlichen Schatz. Zuerst unschlüssig, was er tun
oder lassen sollte, entschloß er sich endlich, seine Taschen
und Mütze zu füllen und belastet mit der köstlichen Beute den
Rückweg anzutreten. Allein vorher schon durch das viele Hin-
und Hergehen zweifelhaft gemacht und nunmehr ob seines Glückes
trunken, verirrte er sich in den Kreuzgängen, und die
verhängnisvolle Stunde, mit welcher sich der Eingang schloß,
ertönte. Von Grabesnacht umdüstert sah sich nun der Arme;
Klagen, Rufen und Weinen half nichts, da ihn niemand hörte.
Endlich versank er in einen tiefen Schlaf, aus welchem er erst
das kommende Jahr, am Johannistage, wieder erwachte; allein
Taschen und Mütze fand er leer. Durch Erfahrung klug geworden,
wollte er die unterirdische Wanderung nicht wieder von neuem
beginnen, sondern verließ die Höhle ebenso arm wie er sie vor
Jahresfrist betreten hatte.
Der vergrabene Schatz bei Löbau
Unweit des ehemaligen Galgens auf dem Löbauer Berge sollen
die Franzosen nach der Schlacht bei Bautzen eine Kriegskasse
voll Napoleondors begraben haben. Im Volke ist sogar die
Entfernung vom Galgen bekannt, leider aber nicht die
Himmelsgegend. In den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts
sind Holzhacker von einem Fremden nach der Lage des Galgens
ausgefragt worden, woraus man sogleich schloß, daß dies ein
mit Hebung des Schatzes betrauter Franzose sei.
Ein Mörder als feuriger Hund am Löbauer Berge
Vor langen Jahren stand am Fuße des Löbauer Berges tief im
Gebüsche ein schmuckes Jägerhaus, welches ein gewisser
Bischeber als Förster mit seiner Frau bewohnte. Derselbe war
ber in der ganzen Umgebung gehaßt und gemieden, denn er war
habsüchtig, grob und hart gegen jeden, der etwas mit ihm zu tun
hatte. Seine arme Frau hatte es selbst sehr schlecht bei ihm und
fand nicht einmal in seiner Abwesenheit zu Hause einen Trost,
denn sie war kinderlos. Vorzüglich war aber sein Haß gegen
seinen Schwiegervater, einen reichen Bauer in der Nachbarschaft,
gerichtet, weil er sich einbildete, derselbe habe seiner Tochter
zu wenig Mitgift gegeben. Nun trug es sich zu, daß ein junger
Bürger aus der Stadt Löbau das Herz der zweiten Tochter jenes
Bauern gewonnen hatte und daß dieselbe ihm auch ihre Hand
zusagte. Bald sollte die Hochzeit stattfinden, und Bischebers
Schwiegervater rüstete sich nur noch, die Mitgift für seine
Tochter herbeizuschaffen. Er hatte dazu tausend Goldgülden
bestimmt, die er in der Stadt irgendwo ausgeliehen hatte und
jetzt zurückerhalten sollte. Er machte sich also eines schönen
Morgens mit seinem Geschirre auf, um das Geld aus der Stadt zu
holen, er hob es auch und lud es, nachdem er es zuvor in einen
kupfernen,
mit einem
Deckel versehenen, Kessel getan, auf seinen Wagen und fuhr schon
in der Dämmerung den ihm wohlbekannten Weg in sein heimatliches
Dörfchen zurück. Allein er sollte dasselbe nicht erreichen,
denn der gottvergessene Jägersmann, welcher seines
Schwiegervaters Vorhaben und den Tag, wo derselbe es
auszuführen dachte, ausgekundschaftet hatte, lauerte ihn im
Walde auf, sprang auf den Wagen und tötete den nichts ahnenden
Greis ohne Mühe. Er hob hierauf den schweren Kessel vom Wagen
herab und schleppte ihn auf unbetretenen Wegen in seine Wohnung,
die Pferde aber trugen ihren gemordeten Führer von selbst auf
dem wohlbekannten Wege bis vor sein Haus. Wie erschrak die
unglückliche Braut,als sie ihren armen Vater von blutiger
Mörderhand erschlagen wiedersah! Es litt sie nicht im
elterlichen Hause, sie eilte noch um Mitternacht zu ihrer
verheirateten Schwester, um ihr und ihrem Manne das schreckliche
Begebnis mitzuteilen. Ihre Schwester glaubte jedoch letzteren
noch im Walde, und beide weinten nun über den Verlust ihres
besten Freundes.Allein der böse Jäger war wohl
zurückgekommen; er steckte in einem Kellergemach, wo er seinen
früher schon zusammengescharrten Mammon zu dem blutig
erworbenen Sündengelde in den Kessel zu verschließen sich
beeilte, weil er beabsichtigte, seinen Schatz noch in derselben
Nacht aus dem Hause zu schaffen. Er hatte nämlich unfern des
Hauses ein verborgenes Loch im Felsen bemerkt, das durch einen
rohen Stein so versetzt war, daß der Uneingeweihte keine Spur
einer Höhle gewahren konnte. Indes war aber der Kessel durch
das neuhinzugekommene Geld so schwer geworden, daß er sich nur
mit großer Mühe transportieren ließ. Wie nun also Bischeber
denselben mit großer Mühe nach dem ihm wohlbekannten Orte
hinschleppte, versah er gleichwohl in der dichten Finsternis den
Weg; sein Fuß geriet in den sumpfigen Wiesengrund, der sich
noch heute an dem östlichen Fuße des Berges findet, und hier
versank er mit seinem Schatze, doch der trügerische Boden
verschwieg sein Grab. Als er früh nicht wiederkehrte, konnte
seine Frau nicht mehr zweifeln, daß ihm ein Unglück
zugestoßen sei, doch glücklicherweise vermochte sie seine
Hauptuntat nur zu ahnen, ein Beweis gegen ihn war nicht
vorhanden. Sie begab sich nun zu ihrer Schwester und brachte
ihre Tage bei derselben, die sich mittlerweile mit ihrem
Bräutigem verheiratet hatte, zu, das Jägerhaus aber, welches
niemand wieder beziehen wollte, zernagte der Zahn der Zeit.
Allein einige Zeit nachher erschien in der Stunde der Dämmerung
ein Licht am Fuße des Löbauer Berges, und ein Holzhauer, der
dasselbe näher gesehen haben wollte, behauptete, daß das Licht
ein feuriger Hund mit sprühenden Augen sei. Alle, die das
hörten, riefen: Das ist Bischeber und sein Schatz, aber niemand
getraut sich, sich demselben zu nähern oder den Hund zu
erlösen.
Der feurige Hund am Löbauer Berge als Schatzhüter
In den sumpfigen Gebüschen am östlichen Fuße des Löbauer
Berges läßt sich zuweilen ein feuriger Hund sehen, den manche
jedoch für ein gewöhnliches Irrlicht halten wollen. Wer nur
demselben mutig folgt, den führt er zur Diamantengrube. So
kehrte einst spät in der Nacht ein Herwigsdorfer Bauernmädchen
vom Löbauer Jahrmarkt zurück, der Hund begegnete ihr und
seltsamerweise hatte sie Mut genug, ihm zu folgen und gelangte
auch richtig in einen glänzenden Saal, wo alles im diamantenen
Lichte blitzte und strahlte. Den anwesenden Personen gegenüber
äußerte sie das doch eigentlich sehr bescheidene Verlangen,
nur einen einzigen Diamant zu besitzen, um vermöge desselben zu
einem Heiratsgute zu gelangen - ihr Vater hatte ihr nämlich die
Einwilligung zur Verheiratung mit einem armen, aber braven
Burschen versagt - kaum aber hatte sie diesen verzeihlichen
Wunsch geäußert, als der mürrische Feuerpudel sie wütend
anfuhr, m1t den Zähnen erfaßte und mit solcher Gewalt in die
finstere Nacht hinausschleuderte, daß sie erst unweit ihrer
Behausung sehr unsanft auf dem Boden ankam. Ihr Schatz, nachdem
er einige Zeit darauf von ihr den erlittenen Unfall erfahren,
stellte die Sache klüger an. Die nächste Nacht begab er sich
an den Berg in der Hoffnung. die Bekanntschaft des Pudels zu
machen, der auch sehr bald schnüffelnd und schnaubend in den
Sträuchern erschien und ihn durch seltsame Gebärden zum Folgen
einlud. Die Nacht war rabenschwarz und beinah klopfte
Christophen das Herz, als er dem feurigen Führer durch das
Gestrüpp mühsam nachkletterte. Doch siehe da, bald stand er an
der ersehnten Pforte, bald auch in dem geheimnisvollen,
köstlich erleuchteten, von Edelsteinen blitzenden Saale; aber
er stellte sich entsetzlich dumm und fingierte förmlich
Blödsinn, und gerade dadurch erwarb er nicht nur des Pudels
gnädigste Gewogenheit, sondern auch die mehrerer anwesenden
Berggeister, wie es so oft heutzutage noch vielen wirklich
dummen Leuten geht, daß sie andern gefallen. Er bewunderte den
schönen Eiskeller, und als man ihm ganze Körbe voll Diamanten
zeigte, wunderte er sich über die gläsernen Haselnüsse. Man
bot ihm davon an, aber er weigerte sich zu nehmen, weil er das
harte Zeug nicht beißen könne; "nun so nimm doch deinem
Mädchen wenigstens einige mit! " sagte einer der Geister
und füllte ihm alle Taschen mit Diamanten. Hierauf empfahl er
sich ziemlich tölpisch, und da der Pudel ihm wieder
hinableuchtete, kam er glücklich ins Tal. Er aber lachte sich
ins Fäustchen, die Geister getäuscht zu haben, heiratete sein
Mädchen, kaufte sich für seinen Reichtum das ganze Dorf, und
seine Nachkommen können noch heute lachen.
Die Wunderblume auf dem Löbauer Berge
Auf demjenigen Teile des bekannten Löbauer Berges, der wegen
der darauf wachsenden Kräuter der Kräutergarten genannt wird,
blühet in der Nacht des Tages Johannis Enthauptung mit dem
Glockenschlage 11 Uhr eine Blume, welche kein Naturforscher je
gesehen oder bestimmt zu haben sich rühmen kann. Ihre Farbe ist
purpur mit goldener Einfassung, grün mit Silberrändchen ihre
dem Lotos ähnlichen Blätter, veilchenblau ihr Stengel und
glänzend himmelblau der Stempel. Sie hat, wiewohl großartiger,
der Lilie Gestalt und weit und breit duften - wenn sie ihre
Kelch erschließt - ihre Wohlgerüche, denen die lieblichsten
Blumendüfte weder in der Alten noch Neuen Welt gleichen. Keines
Sterblichen Auge hat je ihre Wurzel erblickt. Im Jahre 1590, als
der Löbauer Ratsförster Kajetan Schreier auf gedachtem Berge
einen Rehbock blattete, empfanden seine Geruchswerkzeuge jenes
wunderliebliche Duften, dessen Ursache er sich nicht zu
erklären vermochte, und da der Duft, den der Wind ihm zuwehte,
immer stärker wurde, ging er, den Rehbock vergessend, einige
Schritte vorwärts. Allein sonderbar, der jeden Schritt und
jedes Strauchwerk daselbst kennende Weidmann ging irre und
drehte sich in einem Kreise, bis endlich sein Ohr eine sanfte,
Üolsharfen- oder Harmonikatönen ähnliche Musik vernahm und er
die Wunderblume von magischem Lichte erleuchtet erblickte. Er
wußte nicht, was ihm geschah, blieb unentschlossen, ob er
hören, sehen, riechen oder die Blume brechen sollte, seine
Sinne schwanden, um in kurzer Zeit wieder zu himmlischem Genuß
zu erwachen. So stand er zweifelhaft - da verkündete der
Zeigerschlag in Löbau die zwölfte Mitternachtsstunde - es
blitze, ein Krach erscholl, und die Blume war verschwunden. Nun
wußte der Jäger, was er hätte tun sollen, um sich in den
Besitz dieses Kleinods zu setzen. Nun erst, aber zu spät, eilte
er an den Ort, wo die Blume gestanden, gewahrte aber keine Spur
mehr davon, wohl aber wehte der kühle Morgenwind einen Zettel
von schwarzem Pergament, der folgende mit goldener
Mönchsschrift geschriebene Worte: Mortalis immaculati cordis,
qui tempore floris mei fortuito huc venit casu, carpere me
potest et uti bonis, quae praebeo, sin minus, fugiat longe
enthielt, dem Betäubten zu.
Eine alte, unleserliche Handschrift, die noch anfangs des 18.
Jahrhunderts mit dem pergamentzettel in Urschrift, nebst einer
gerichtlich aufgenommenen Registratur über die Aussage des
Försters, auf der Löbauer Ratsbibliothek vorgezeigt wurde,
enthielt folgendes : "Blühet in dem Gärtlein uf dem
Löbawer Berge, allein nur aller hundert Johr, gar in der
Mitternachts Stund von St. Joannis Enthäuptung gar ein
wunderseltsam Blühmlein, von anmuthiger Gestalt undt Gedüft,
welches der, so reinen Herzens ist, leicht aus der Erd reissen
kan undt dadurch zu hoher Ehr undt vielen Geld gelangt,
sintemalen die starke, große Wurz, sowie das Blühmlein selbst
von purem Gold, Silver undt köstlichem Gestein ist. Wer sich
aber nit wohl sicher weiß, der berühr es ja nit; sonst
verleuert er sein Leven.
Wofür Gott behüt."
Noch eine Sage von der Wunderblume auf dem Löbauer Berge
Auf dem Löbauer Berge blüht in der Johannisnacht eine
Blume, herrlich und schön, und wer sie pflückt, wird zum
glücklichen Menschen. Der Stengel ist von grünem Smaragd, an
dem Blätter von Rubin wachsen, die weithin durch den dunkeln
Tannenwald leuchten. Alles aber übertrifft an Pracht ihr Kelch,
der aus einem großen Diamant besteht, dessen Glanz den Mond und
die Sterne verdunkeln und aus dem liebliche Gesänge
emporsteigen, die zauberisch die stille Nacht durchklingen.
Von dieser Wunderblume erzählt man sich folgende Sage: Die
Johannisnacht war auch in Löbau mit mancherlei Schwank und
Scherz gefeiert worden; die Lichter erloschen allmählich in den
Häusern, da trat ein Mädchen aus einer niedrigen Hütte, die
einsam am Fuße des Löbauer Berges sand. Mit verweinten Augen
blickte sie hinauf zum Sternenzelt und seufzte :
"Wann wird mein armes Herz Ruhe finden ?" Vater und
Mutter und Geliebter waren ihr kurz nacheinander gestorben, und
sie hatte heute abend nach alter Sitte ihre Gräber geschmückt
und an ihnen gebetet. Da ging sie durch das tauige Gras den Berg
hinauf, und vor ihr schwebte ein Irrlicht, dem sie unbewußt
folgte. Der Wald wurde immer dichter, die Tannen rauschten
traulich in der Einsamkeit. Plötzlich sieht das Mädchen durch
die Bäume hellen Glanz schimmern, sie eilt auf die Stelle zu
und steht vor der Wunderblume.
So hatte sie ihr einst ihr Vater geschildert, als sie
allabendlich, das Köpfchen auf die Hände gestützt, seinen Erzählungen
lauschte. Es war ihr, als tönte es aus dem Kelche: Pflück mich
ab, pflück mich ab. Und als sie die Blume abgepflückt hatte,
erlosch der Glanz derselben und der Wald war wieder dunkel wie
zuvor.
Am anderen Morgen fanden Kinder, welche Beeren suchten, das
Mädchen tot mit gefalteten Händen liegen. Die Blume hatte es
zum höchsten Glück erhoben.
Die kegelschiebenden Zwerge auf dem Löbauer Berge
Einst besuchten zwei Löbauer Bürger ganz allein den Berg.
Da trafen sie oben zu ihrem Erstaunen eine Menge ganz kleine
Leutlein, welche Kegel schoben und sie höchst freundlich und
zuvorkommend einluden mitzuspielen. Es wurde geschoben und
geschoben bis spät in die Nacht, und als sich endlich, des
Spielens müde, die beiden Löbauer empfahlen, machten die
Zwerge jedem von ihnen eine Kugel zum Geschenk. Diese waren sehr
groß und schwer, so daß, des Tragens müde, der eine sie
alsbald ins Gebüsch warf. Der andere aber war klüger und
schleppte sich damit bis nach Hause. Da fand sich's denn, daß
es eine goldene Kugel sei. Er gelangte hierdurch zu großem
Wohlstande, und seine Nachkommen, die man noch heute in der
Stadt Löbau kennt, erfreuen sich noch jetzt des Segens dieser
goldenen Kugel.
Das Galgengespenst bei Löbau
Zur Nachtzeit kommt zuweilen in der Nähe des Galgens auf dem
Löbauer Berge auf der Bernstädter Straße eine weiße Gestalt
aus den Sträuchern und neckt und verfolgt die späten Wanderer,
ja es versucht sogar sle festzuhalten. Eine Frau ward vor
einigen Jahren von diesem unheimlichen Galgengespenst verfolgt
und beim Mantel ergriffen. Glücklicherweise läßt es sich
nicht immer sehen, sondern meist nur im Herbst.
Der Holzmann
Geht man von Budissin auf der Löbauer Straße hin, so
erblickt man unweit des Dorfes Kittlitz linker Hand ein
Birkenwäldchen. In diesem begegnet man zu gewissen Zeiten einem
langen abgehagerten Mann von verfallenem Gesichte, mit kleinen
stechenden Augen und auffallend spitzem Kinn, welcher mühsam
unter einer Reisighocke einherkeucht. Wer ihn grüßt oder gar
die gute Meinung hat, ihm seine Last zu erleichtern, dem hockt
er auf, erschwert ihm den Weg, treibt allerlei Unfertigkeiten
und entläßt endlich die auf diese Art von ihm Gequälten,
nachdem er sie derb durchgeprügelt hat. Der Gespenstische war
nämlich, als er noch die Weltluft einatmete, ein harter,
unerbittlich strenger Holzförster, der die armen Holzlesenden
grausam behandelte, und dessen Geist nunmehr bis zur Erlösung
zum Herumirren verbannt ist. Von denjenigen, welche ihn
grüßen, glaubt er, daß sie ihn kennen, und mit seiner Strafe
bekannt sind, und durch ihr Hilfeanbieten ihn nur verhöhnen
wollen.
Das weiße Pferd zu Löbau
Die Stadt Löbau soll ursprünglich
auf dem heute noch sogenannten Löbauer oder Schafberge angelegt
gewesen sein, was man aus den naheliegenden Steinen und einem
großen Steinwalle, der sogenannten Stadtmauer, geschlossen hat,
weil aber ein weißes Pferd des Nachts allemal die
Baumaterialien vom Berge wieder herabtrug, hat man den Bau auf
dem Berge aufgegeben. Noch heute soll sich aber das Roß in der
Nähe des Goldkellers zeigen und wehmütigen Blickes nach seinen
heidnischen Priestern suchen.
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